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Begrüßungsansprache von Nils Haupt, 12. Dezember 2003

Köpfe, die Emotionen hervorrufen

Es gibt Menschen, die sind vom Leben nicht verwöhnt. Und es gibt Menschen, da ist der liebe Gott mit seinem Füllhorn besonders großzügig gewesen. Wir alle kennen die erste Spezies, zum Beispiel Zeitgenossen, bei denen wir ausrufen möchten, Herr schmeiß Hirn vom Himmel. Aber es gibt eben auch letztere, nämlich die mit dem Füllhorn. Meine bisherige bescheidene Lebenserfahrung lässt mich vermuten, dass die erste Kategorie einen hohen zweistelligen Prozentsatz unter unseren Mitbürgern ausmacht. Ich werde in dieser Auffassung gegenwärtig dadurch bestärkt, dass das deutsche Volk einen gewissen Herrn namens Daniel Küblböck unter die bedeutendsten Deutschen der vergangenen 500 Jahre gewählt hat. Herr Küblböck, eine androgyne Mischung aus einem mit Jod-S11-Körnchen hochgezüchteten Fruchtzwerg und – zumindest akustisch gesehen – einer rostigen Gießkanne lag damit vor Albert Schweitzer und Wolfgang Amadeus Mozart – bei dem den meisten unserer geneigten Fernsehzuschauer übrigens entgangen sein muss, dass dieser gar kein Deutscher, sondern Österreicher war. Auch dass die Biographien eines Dieter Bohlen oder eines Boris Besenkammer Becker hinsichtlich ihrer Auflagen selbst Nobelpreisautoren zu toppen vermögen, stimmt mich im Blick auf die geistige und kulturelle Zurechnungsfähigkeit unseres Volkes – peripher pessimistisch. Ich stimme zu, dass das geistige Gefälle in Deutschland regional durchaus unterschiedlich sein mag. Ich will hier auf Grund unserer regionalen Nähe zur bajuwarischen Landesgrenze dieses Thema nicht unnötig strapazieren… Insbesondere deshalb auch nicht, weil – zumindest politisch gesehen – Hamburg seit ein paar Tagen stark aufgeholt hat. Ich will nun vielmehr Ihren und unseren Blick auf das göttliche Füllhorn richten – das wie schon gesagt nicht immer und überall mit der gleichen Intensität geleert wurde. Obwohl - wenn ich mich hier im Raum umschaue, sind hier tatsächlich ausschließlich privilegierte mit dem Füllhorn Gesegnete – ach nein, auf den zweiten Blick dann doch nicht nur… Also das Füllhorn.

Als Gott der Herr an einem Januartag im Jahr 1963 wieder einmal einen wunderbaren Sonnenaufgang an den Horizont gezaubert hatte, da lehnte er sich zufrieden zurück und ließ befriedigt seinen damals noch überaus wohlwollenden Blick über die Erde schweifen. Neben ihm lag das bis an den oberen Rand gefüllte Horn – das sogenannte Füllhorn – und er hatte sich in den Kopf gesetzt, dieses Füllhorn zu leeren. Durch einen Zufall, den sich heute niemand mehr richtig erklären kann, blieb sein Blick kurz vor Gelnhausen, nämlich in Niedermittlau, einem entzückenden kleinen hessischen Weiler mit eigenem Zentralbahnhof und einer über die Grenzen des Landes hinaus bekannten Gaststätte namens „Waldfrieden“ kleben. Hier – so beschloss er – werde ich mein Horn entleeren. Und er befahl seinen beiden Erzengeln, das Horn zu ergreifen und seinen Inhalt höchstderoselbst über dem pittoresken kleinen Dorf auszuschütten. Doch es kam wie es kommen musste: statt unter den Dächern der hübschen kleinen Fachwerkhäuser das begehrte Gut des Horns zu verteilen – orientierten sich die Handlanger des lieben Gottes an der Bahnlinie Frankfurt-Fulda und stießen dabei auf eine Einfamilienhauskolonie, über der sie mangels besseren Wissens und auch infolge nicht besonders stark ausgeprägten Orientierungssinns den Inhalt eben jenes Hornes ohne auch nur die geringste Regung von heftiger Leidenschaft oder ausgelassener Freude verbreiteten.

Der – dies muss hier eingefügt werden – nur virtuelle Inhalt des Füllhorns entleerte sich spontan über einer hochschwangeren jung vermählten Südösterreicherin, die ein besonders hartes Schicksal nicht nur nach Niedermittlau, sondern vor allem an die Seite eines alerten und mit allen Wassern der Kommunikation gewaschenen Werbegrafikers gespült hatte. Die Entbindung erfolgte übrigens später in Hanau – aber das merkt man dem Kind gottlob nicht an.

To make a long story short. Das Ergebnis dieses himmlischen Ausflugs steht heute vor uns. Der Name Elisabeth ist ja altetruskisch – von elisa das Füllhorn und bett der Segen - und heißt ja bekanntlich auch: Die vom Inhalt des Füllhorns reichlich gesegnete. Jetzt wissen Sie auch, warum Bett und Segen manchmal das Gleiche ist…

Nein – to make the story wirklich short. Diese vom Füllhorn getroffene ist eben nicht nur eine begnadete Tennisspielerin, Schwimmerin,Läuferin, Radlerin, Deutsche Meisterin im Triathlon in ihrer Altersklasse, sondern eben auch eine geradezu perfekte Grafikerin und Illustratorin, die in der Werbebranche in den vergangenen Jahren Akzente gesetzt hat. Und zu meiner Zeit als Werbetexter haben wir sogar gemeinsam Kampagnen erarbeitet. Als seien diese Talente alle nicht genug, zeigt sie sich Ihnen und uns heute von einer ganz neuen Seite: Die Malerin – die sich freimachen will von der Lohnarbeit, von der kommerziellen Auftragsarbeit. Die Freiheit, mit der Malerei alles ausdrücken zu können. Weg vom PC und hin zu Leinwand, Pinsel, Farbe – weg von der Form und Funktion – hin zur Emotionalität und Leidenschaft.

Weg von den Produkten – hin zu den Menschen, zum Kern der Kunst. Vom Produkt, das bisher im Mittelpunkt stand, zum Menschen. Bunt, manchmal sogar schrill, wieder erkennbar und doch anders. Expressionistisch. Undistanziert, ganz nah. Sie erweist sich als tolle Beobachterin, geht manchmal tief in die Details, manchmal großzügig über Details hinweg. Mir persönlich ist meine Nase ein bisschen groß geraten und das Kinn zu spitz. Aber vielleicht ist das auch nur verletzte Eitelkeit. Elisabeth Nohel will eben die ganz charakteristischen Züge wiedergeben, sie überzeichnen. Und möglicherweise –ich will das nicht ausschließen - ist in der Tat meine Nase der einzige beeindruckendste Bestandteil meiner Persönlichkeit. Immerhin etwas, wo ich Größe beweisen kann.

Elisabeth Nohels Bilder muss man nicht erklären. Sie erschließen sich von selbst. Sie sind Begegnungen oder Wiederbegegnungen mit Gelnhäuser Gesichtern – kleine und große Aha Erlebnisse. Entlocken Schmunzeln oder Stirnrunzeln, in jedem Fall aber Neugierde auf den Menschen hinter dem Porträt. Und so bedarf es gottseidank keines Kunsthistorikers oder Sachverständigen, um Ihnen heute abend das zu Sehende verständlich zu machen.

Ich fand ein wunderbares Zitat einer Schriftstellerin aus dem 19.Jahrhundert, Fany Lewald, einer Freundin von Carl Alexander von Sachsen-Weimar. Sie schrieb:

Ich glaube nicht, dass die Empfindung für Kunst das Privateigentum einiger durch Kunststudien dafür Gebildeten sei. Das wahrhaft Schöne wirkt auf jeden Menschen, dessen Seele nicht ganz untergegangen ist in der Barbarei des größten Sinnenlebens; und ein Kunstwerk, das ganz besonderer Erklärungen und Auffassungen bedarf, um verstanden, genossen zu werden, dem fehlt die Kraft der Überzeugung, der zündende Funken, der, von dem Genie dem Kunstwerke eingehaucht, in unzerstörbarer Elektrizität den Gedanken erzeugt in der Seele des spätestens Beschauers.“

Elisabeth Nohels Kunst bedarf keiner ganz besonderer Erklärungen und Auffassungen – sie steht für sich. Sie konnte entstehen, weil sich zwei göttlich entsandte Erzengel im Januar 1963 verflogen und das himmlische Füllhorn an falscher Stelle – aber aus heutiger Sicht gesehen: absolut an der richtigen Stelle – entleert haben. Wenn wir den Engeln für dieses himmlische Missgeschick schon nicht mehr danken können, so danken wir den beiden ganz und gar irdischen Elisabeths – nämlich der Galeristin Elisabeth Wojciak und der Künstlerin Elisabeth Nohel, dafür, dass sie das Füllhorn heute mit uns teilen.

Herzlichen Dank.
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